Heimat und Volk in der NS-Ideologie
Wenn die Neonazis des „Dritten Wegs“ am 1. Mai 2020 auf die Straße gehen, um die „Heimat zu bewahren“, dann meinen sie vor allem den Kern ihrer nationalsozialistischen Ideologie. Es geht ihnen letztlich um ihre nationale Identität, die Nation und ihr Volk. Denn Heimat ist seit jeher ein Kampfbegriff der Nazis, untrennbar vom Konstrukt des Volkes. Das Volk meint in der Sicht der Nazis letztlich die Vorstellung des weißen arische Zwangskollektiv, welches sich über Blut und Boden definiert und die Abweichungen von diesem Kollektiv mit aller Härte verfolgt und sanktioniert. Letztlich mit dem Ziel der deutschen Volksgemeinschaft, nach der sich der Erfurter Verein des „Dritten Wegs“ und Mieter der Stielerstraße 1 bereits benannt hat. In jener Volksgemeinschaft geht das, was die Neonazis unter Heimat verstehen, auf. Die Individualität des Einzelnen wird aufgehoben und dem Kollektiv gleichgeschalten untergeordnet. In seiner letzten Konsequenz heißt das eben nicht nur die Verfolgung des Fremden, sondern letztlich die Auflösung, also die Vernichtung des Fremden. Es werden keine Differenzen innerhalb der deutschen Volksgemeinschaft geduldet. Wenn die Nazis am 1. Mai unter dem Motto „Ein Volk will Zukunft! Heimat bewahren!“ demonstrieren, dann meint diese Zukunft die Auslöschung eben jener gesellschaftlicher Differenzen. Hier wird die mörderische NS-Ideologie konkret, wenn rigorose Abschiebungen gefordert werden. Hinter Ausbeutung und Armut werden ‚volksfremde Ausbeuter‘ der EU und Großfinanz als Feindbilder stilisiert. Den Ausländern soll ein vermeintlicher „Sozialtourismus“ entzogen werden. Denn hinter den nicht nur von den Nazis geforderten Abschiebungen steht nichts weiter als die Forderung das Fremde aus dem Volkskörper zu entfernen.
Sie billigen dabei den Tod der Menschen in Elend oder Krieg und ihr eliminatorischer Antisemitismus bricht sich gegen jene bahn, die sie als Feinde des eigenen ‚Volkes‘ brandmarken.
Heimat vs. kapitalistischer Entfremdung
Der Hype um „Heimat“, „Volk“ und „Tradtion“ kommt nicht von ungefähr, sondern hat seine Ursache in den gesellschaftlichen Zurichtungen der Menschen in den kapitalistischen Verhältnissen.
Das bürgerliche Subjekt im Kapitalismus muss sich den Gegebenheiten des Marktes flexibel anpassen. Gefordert ist eine totale Unterwerfung unter diese Produktionsverhältnisse, die dem Individuum abverlangt in Konkurrenz zu Anderen zu bestehen. Diese Konkurrenz schafft Fremdbestimmung. Dabei wird beim Einzelnen vorausgesetzt genau dies zu bejahen und als eigene Bedürfnisse zu affirmieren. Diese Affirmation von Konkurrenz und Zwanghaftigkeit kann aber nicht verhindern, dass der Druck auf den Individuen spürbar lastet. Bürgerliches Subjekt sein drückt zweierlei aus: Ein Unterworfensein unter die Verhältnisse, aber gleichzeitig auch den Schein wahren zu müssen in diesen Verhältnissen souverän zu sein. Entfremdung pur.
Als Kontrapunkt zum männlich gesetzten bürgerlichen Durchsetzungsubjekt steht die ‚weiblich‘ reproduktive Heimat. ‚Weiblich‘ deshalb, weil sie für Naturgegebenheit, Familie, Schutz, Verwurzelung und Geburt steht. Somit ist der politische Heimatbegriff ein emotional aufgeladener und ebenso moralisch überhöhter. Diese ‚weibliche‘ Verletzbarkeit der Heimat fordert ‚männliche‘ Schutzreflexe gegenüber dem vermeintlichen Zugriff durch das bedrohlich erscheinende universelle Fremde. „Hol dir dein Land zurück!“ oder „Die Heimat verteidigen“ sind emotionale Aufrufe zum Heimatschutz. Sie sind fester Bestandteil der nationalen, nationalistischen und faschistischen Mobilmachung. Diese richtet sich aktuell gegen Geflüchtete, jüdische Menschen sowie gegen ‚Volksverräter‘ und ‚linksgrün versiffte Gutmenschen‘.
Dabei ist die so politisch definierte Heimat selber fremdbestimmt. Sie ist dem Individuum als von Geburt und Abstammung an gegebenes Schicksal ohne eigenes Zutun gesetzt. Das ist der Kern des völkischen Zwangskollektivs. Der Heimatbegriff qua Geburt und Abstammung ist ein völkischer.
Heimat verbindet auch Linke
Doch viele Linke und die Zivilgesellschaft erkennen dies nicht und versuchen lieber den politischen Kampfbegriff ‚Heimat‘ vor einem angeblichen Missbrauch von rechts zu schützen. Statt „deutsch“ ist Erfurt dann eben „bunt“. Auch Bodo Ramelow will sich seine Heimat „von keinem Nazi wegnehmen“ lassen. Innerhalb dieser Vorstellungen steckt jedoch lediglich die Verharmlosung und Übernahme von Begrifflichkeiten, die bereits ihre eigene Bedeutungen mit sich bringen.
Wer von ‚Volk‘ und ‚Heimat‘ schwadroniert, übernimmt damit zwangsläufig Begrifflichkeiten eines nationalistischen und völkischen Rollbacks. Kritik an der Ideologie der Nazis sollte nicht über eine identitäre Abgrenzung und Standortpolitik erfolgen, sondern die gesellschaftlichen Ursachen für Ohnmacht und Entfremdung herausstellen. In einer Welt, die sich stetig verkompliziert und einer allumfassenden Ohnmacht der kapitalistischen Verhältnisse, einer Entfremdung und sozialer Desintegration gegenüber steht, ist die ‚Heimat‘ die falsche Antwort auf die falschen Verhältnisse. Mittels Übernahme des politischen Heimatbegriffs von links und seiner Standortschützer der ‚staatlichen Antifa‘ wird das eigene reaktionäre Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Authentizität befriedigt.
Die Heimat zur Hölle!
„Volk“ und „Heimat“ bieten keine Antwort auf die kapitalistischen Verhältnisse und das Ideal, des Idyllischen und Beschaulichen als Rückzugsort vor dem Sturm draußen, ist nur eine Illusion. In ihm steckt die Versöhnung mit diesen Verhältnissen, denn es verdeckt die materiellen Ursachen der Entfremdung.
Wenn am 1. Mai 2020 der “Dritte Weg” aufmarschiert, dann wollen wir nicht nur die alten Phrasen vom Kampf gegen Nazis und für ein buntes Deutschland wiederholen. Wir sagen klar, dass es eine befreite Gesellschaft, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, nur geben kann, wenn Deutschland und Nationalstaaten abgeschafft und der Kapitalismus überwunden ist. Dass wir davon weit entfernt sind, hält uns nicht davon ab unsere Kritik an ihrer „Heimat“ anzubringen und am 1. Mai nicht nur den Nazis das Leben schwer zu machen. Für den 1. Mai gilt es den Spagat hinzubekommen zwischen dezentralen Aktionen und sich gleichzeitig dagegen zu verwehren, Teil eines abgekarterten Spiels der Zivilgesellschaft zu sein. Denn letztlich wollen wir mit unseren Aktionen nicht den Ruf Erfurts retten, die Demokratie verteidigen oder uns der sozialdemokratischen Landesregierung in ihrer „bunt statt braun“-Propaganda anbiedern.
Kommt am 1. Mai 2020 nach Erfurt und organisiert dezentrale Aktionen! Der „Dritte Weg“ ist dabei nur ein Aufhänger für uns um auf die Straße zu gehen.
Die Heimat zur Hölle!
Für weitere Infos: erstermai2020.noblogs.org