Plauen / Erfurt: Kurzaufrufe zu antifaschistischen Vorabenddemos

Wir dokumentieren den Kurzaufruf für die antifaschistische Vorabenddemo “Ab in den Süden! Dem Nazikiez auf die Pelle rücken” am 30.04.20 in Erfurt sowie den Kurzaufruf zur antifaschistischen Demonstration “Die Heimat zur Hölle – Den III.Weg zerschlagen!”, ebenfalls am 30.04.20 in Plauen.

Erfurt:

Ab in den Süden! Dem Nazikiez auf die Pelle rücken!

Die rechte Szenekneipe „Kammwegklause“, die Räume des „Volksgemeinschafts e.V.“, Neonazis im Ortsteilrat, Propagandaaktionen, Neonazikonzerte und eine Kultur der Übergriffe und Gewalt gegen Geflüchtete und Linke. All dies findet sich auf dem Erfurter Herrenberg vereint. Ein Viertel in Erfurt-Süd, in dem sich Neonazis wohlfühlen und ihre Strukturen aufbauen können. Die letzten antifaschistischen Interventionen liegen schon eine Weile zurück, es ist also an der Zeit mal wieder im Nazikiez vorstellig zu werden und den öffentlichen Fokus auf das Treiben der Neonazis in Erfurt-Süd zu legen! Gerade im Bezug auf den Aufmarsch der Partei in Erfurt, wollen wir nicht nur am 1. Mai auf die Straße gehen.

Nazilocations seit Jahren wichtiger Anlaufpunkt

Die städtische Jugendarbeit auf dem Herrenberg war über viele Jahre tot. Der ehemalige Jugendclub „Urne“ machte seinem Namen alle Ehre und spiegelte wieder, was der abghängte Erfurter Süden an Unterstützung erwarten konnte, wenn es um Investitionen in die Infrastruktur ging. Genau diese Situation machten sich Neonazis vor einigen Jahren zu Nutzen. In kurzer Distanz liegen gleich zwei Lokalitäten in denen die Erfurter Naziszene schalten und walten kann. Am 01.11.2014 eröffnete Gabriele Völker in der Tungerstraße 1 die „Kammwegklause“. Eine alte Kneipe mit der Außengestaltung in schwarz-weiß-rot. Seitdem bietet die Trinkhalle einen geeigneten Anlaufpunkt für Neonazi aller couleur, sei es zum Konzert der Neonazi-Hooligans von „Kategorie C“ oder zum kameradschaftlichen Abend.
Ein knappes Jahr später mieteten Neonazis vom „Volksgemeinschafts e.V.“ eine alte Markthalle in der Stielerstraße 1. Seitdem gilt es als „nationales Zentrum“ und ihre Aktiven versuchen sich in der Stadtteilarbeit. Erst unter Flagge der NPD, dann „Die Rechte“ und heute „Der Dritte Weg“. Die Kader in der Stielerstraße 1 versuchen mittels Sport-, Bar- und Partyangeboten junge Menschen im Viertel an sich zu binden. Sie schaffen damit nicht nur einen Rekrutierungsort, sondern auch einen Ort zum Vernetzen und Organisieren der bundesweiten Neonaziszene. Diverse Parteitage oder auch Konzertveranstaltungen von Neonazigruppen fanden in den Räumlichkeiten der Stielerstraße statt. Von dort aus organisieren die Neonazis auch immer wieder Aktionen in Erfurt, sei es im Wahlkampf oder als Teil von Mobi-Aktionen im bundesweiten Kontext.

Klima der Angst

Auf dem Herrenberg werden die Neonazis tätig, welche sich in der Stielerstraße unter Anleitung von gewaltbereiten Neonazis wie Enrico Bicysko und Michael Fischer für den Straßenkampf rüsten und trainieren. Angriffe auf Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen, denen eine andere politische Ansicht zugeordnet wird, sind hier keine Seltenheit. Im Gegenteil, es erreichten uns immer wieder vereinzelte Berichte von zum Teil schweren, gewalttätigen Übergriffen. Bereits vor einigen Jahren berichtete die antirassistische Kampagne „Break Isolation“ von Übergriffen und Einschüchterungsversuchen gegenüber jugendlichen Geflüchteten und einen Sozialarbeiter, welcher sich antirassistisch engagierte. Bis auf einige wenige Antifaschisten reagierte im weltoffenen und bunten Erfurt niemand auf die Berichte über rechte Gewalt und die Täter-Opfer-Umkehr von Akteuren, wie dem damaligen Arbeitgeber des Sozialarbeiters, dem „Perspektiv e.V.“. Denn dieser wollte dem Sozialarbeiter kündigen. Vom braunen Sumpf auf dem Herrenberg wollte man nur sprechen, wenn bundesweite Medien auf die Entwicklungen aufmerksam machten. Ein paar halb tot geschlagene Ausländer und Zecken haben weder Stadt noch den Bürgermeister Bausewein persönlich je groß interessiert.

Ab in den Süden!

Aber wir wollen nicht mit einer Demonstration durch den Erfurter Süden ziehen, um an die Bausewein‘s dieser Welt zu appelieren, oder Erfurt zu einer weißen Weste vor dem BUGA-Jahr zu verhelfen. Wir wollen am 30.04.2020 mit einer Vorabenddemo darauf hinweisen, dass Erfurt seit vielen Jahren ein massives Problem mit Neonazis und rechter Gewalt hat. Dieses Problem zentriert sich im Erfurter Süden, am Herrenberg. Denn hier wohnen und agieren die, die unsere Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen angreifen und bedrohen. Aber hier wohnen auch die, welche dem Treiben schweigend zusehen, wegsehen oder ganz und gar mit den Neonazis sympathisieren. Doch wir sind uns sicher, es gibt auch hier noch ein paar, die das nicht tun. Welche vielleicht bislang aus Angst geschwiegen haben oder jeden Tag auf die Straße gehen, den Nazischeiß von der Laterne kratzen und Rassismus nicht unwidersprochen lassen. Auch wenn wir nur punktell hier sind und uns dann wieder in unsere Viertel zurückziehen, wollen wir zeigen, ihr seid nicht alleine. Sorgen wir am 30. April und am 1. Mai 2020 dafür, dass wir dem „Dritten Weg“ und seinem „Nazikiez“ ordentlich auf die Pelle rücken! Kommt mit uns in den Erfurter Süden!

Plauen:

Seit mehr als 3 Jahren betreibt die neofaschistische Kaderpartei „Der Dritte Weg“ ein Büro und seit Mai 2019 das sogenannte „P130“, ein Wohnhaus in dessen unteren 2 Etagen sich neue Parteiräume befinden, im Stadtteil Haselbrunn. Dort versuchen sie über Stadtteilarbeit Wähler*Innen und Helfer*Innen zu rekrutieren. Angesprochen werden explizit nur sogenannte „Volksdeutsche“. Dass dies in den eher sozial benachteiligten Stadtteilen Plauens wie Haselbrunn und Preißelpöhl leider auf viel Zuspruch trifft, zeigt der Einzug von Tony Gentsch in den Plauener Stadtrat und den vogtländischen Kreisrat im Mai 2019.

Bei dem Faschisten Tony Gentsch handelt es sich um einen Ex-Hammerskin und FNS-Kader aus Oberfranken, der nach seinem Knastaufenthalt nach Plauen zog und nun in der Nähe von Elsterberg wohnt. Er ist maßgeblich für den Aufbau der Parteistrukturen in Plauen und Sachsen verantwortlich und gehört zu den wichtigsten Führungsfiguren in der „Freies Netz Süd“–Nachfolgerorganisation „Der Dritte Weg“. Neben ihm sind weitere wichtige Neonazikader mit jahrelanger Erfahrung in teils militanten faschistischen Strukturen in Plauen ansässig, wie Rico Döhler oder Thomas Heyer.
Eine mögliche Regierungsübernahme durch die Partei ist in Zukunft weder auf Landes- noch auf Kommunalebene zu erwarten, dafür ist die Partei zu unbedeutend. Der Parteienstatus gilt ohnehin nur als Schutz vor einem neuen Verbot der neonazistischen Strukturen. Doch ihre vertretenen Inhalte zeigen nur die Spitze des Eisberges der deutschen Ideologie. Denn Begrifflichkeiten, wie „Volk“ und „Heimat“ finden sich nicht nur in Aufrufen kleiner Splitterparteien. Sie sind bis weit ins bürgerliche Lager hinein anschlussfähiger Konsens und bilden die Hintergrundmusik für härtere Polizeigesetze, mehr Leistungsdruck auf Arbeit und geschlossene Grenzen.
Darüber hinaus ist der „III. Weg“ trotz seiner parteipolitischen Irrelevanz eine handfeste Bedrohung: Für alternative und nicht-rechte Menschen, die sich in Plauen bewegen wollen, für Migrant*Innen, die aufgrund der niedrigen Mieten und der angespannten Wohnraumsituation in Haselbrunn wohnen. Und nicht zuletzt als bestens mit rechten Untergrundnetzwerken verknüpfte Schaltzentrale von Naziaktivitäten,                            weit über Plauen und das Vogtland hinaus.
Wir wollen nicht nur die alten Phrasen vom Kampf gegen Nazis und für ein buntes Deutschland wiederholen. Wir sagen klar, dass es eine befreite Gesellschaft, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, nur geben kann, wenn Deutschland abgeschafft und der Kapitalismus überwunden ist. Dass wir davon noch weit entfernt sind hält uns nicht davon ab, unsere Kritik an ihrer „Heimat“ anzubringen und am 30.04. und darüber hinaus den Nazis in ihren vermeintlichen Stadtteilen das Leben so schwer wie nur möglich zu machen.

Antifaschistische Gruppen Vogtland