Niemand ist vergessen, Nichts ist vergeben!

Klaus R., Bernd G., Horst K., Achmed B., Nuno L., Thomas K., Karl-Heinz T., Kamal K. sowie vermutlich zwei weitere Menschen sind in Leipzig seit 1990 durch rechte Täter ermordet worden.

Sie wurden aus rassistischen, homosexuellenfeindlichen oder sozialdarwinistischen Motiven ermordet. Doch selten werden die Betroffenen rechter Gewalt auch als solche anerkannt. Das weiße Mehrheitsdeutschland findet bei weit über 200 solcher Morde und jährlich hunderten Gewalttaten noch immer den Einzelfall, Verständnis für TäterInnen und (Mit-)Schuld bei den Betroffenen.

Nicht nur nach den schrecklichen Taten in Halle und Hanau hat sich gezeigt, dass es Täter-Opfer-Umkehrungen, eine Empathielosigkeit in den Debatten über Rechtsruck und eine Entpolitisierung der Hintergründe sind, die die Betroffenen und Angehörigen die Tat erneut durchleben lassen:

Menschen werden zum zweiten Mal geschlagen und ermordet oder das angezündete Haus wird vollends niedergebrannt – aus rechter Gewalt wird rechter Terror.

Im Oktober 2020 jährt sich der rassistische Mord an Kamal K. in Leipzig zum zehnten Mal.

In diesem Jahr wollen wir mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen an die Betroffenen rechter Gewalt erinnern, den rechten Terror in diesem Land und speziell in dieser Stadt sichtbar machen. Es ist uns wichtig, das gesellschaftliche und politische Klima in Deutschland und die Ursachen hierfür klar herauszuarbeiten und zu benennen.

Seit den 90er Jahren bis heute wird im Zusammenhang mit Rassismus und rechter Gewalt mit den selben Mitteln gearbeitet. Durch die TäterInnen-Fixierung der Dominanz-Gesellschaft wird eine Identifikation mit ihnen und ihren Motiven geschaffen. Die Betroffenen hingegen werden aus dem öffentlichen Gedächtnis verdrängt. Dies zeigt sich in der Berichterstattung zu rechten Taten und wiederholt sich in den Prozessen. Dies zeigte sich auch im schriftlichen NSU-Urteil, welches im April 2020 veröffentlicht wurde und wiederholt sich jüngst im Halle-Prozess, bei dem der Täter zum Zentrum der Aufmerksamkeit gemacht wird. Die Betroffenen sind, wenn überhaupt, nur Statisten. Solidarisierungen mit den Betroffenen rechter Gewalt ebben schnell ab. Vielmehr erfahren sie und ihre Angehörigen nicht selten den rassistischen Zynismus der deutschen Gesellschaft. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Ideologie der TäterInnen findet bis heute selten statt.

Dem entspricht eine rassistische und autoritäre Formierung, die weite Teile der Gesellschaft mittragen und der weder Linke noch Liberale etwas Wesentliches entgegensetzen. Mediale Hetzkampagnen, die sexistische Übergriffe, antisemitische Einstellungen oder Terrorakte zu einem Spezifikum von Geflüchteten erklären, legitimieren immer neue Gesetzesverschärfungen.

Rechter Terror, zunehmender Alltagsrassismus und der ungebrochene rassistische Konsens hingegen werden gesellschaftlich ausgeblendet, wenn nicht gar verharmlost und entschuldigt, während Kritik am institutionellen Rassismus durch Regierung, Polizei oder Verfassungsschutz zunehmend delegitimiert wird. Auch in Zeiten der Black Lives Matter Bewegung kann dies beobachtet werden: Zwar wird die Bewegung auch oftmals positiv aufgenommen – Kritik an den rassistischen Strukturen von Polizei, Politik, Gesellschaft sowie den Regierenden wird aber weiterhin abgeschmettert. Es geht immer um den Rassismus der Anderen. Die Verstrickungen der Behörden in rechte Netzwerke und Taten, wie bei Uniter, Nordkreuz oder beim NSU 2.0. sind da schnell vergessen.

Diese Strategie kann nur als Doppelte verstanden und kritisiert werden: Das Gerede vom Aufarbeitungs- und Willkommens-Weltmeister Deutschland ist die notwendige Legitimationsgrundlage für das wieder formulierte und praktizierte Volksgemeinschaftsstreben.

Gleichzeitig können wir nicht beim Mahnen und Gedenken stehen bleiben, denn das alleine wird Neonazis und andere RassistInnen und AntisemitInnen nicht vom Morden abhalten. Nicht erst nach dem Mord an Walter Lübcke, den Anschlägen in Halle und Hanau und anderen weniger bekannten Gewalttaten müssen wir konkret den deutschen TäterInnen entgegentreten, uns solidarisch mit den (potentiell) Betroffenen zeigen und der Verharmlosung und Relativierung solcher Taten durch Parteien, Medien und Polizei entgegenstellen. Der Rückhalt, den die TäterInnen erfahren, muss gebrochen werden.

Wir setzen daher unseren Fokus auf die Aufarbeitung der rechten Morde und des rechten Terrors sowie deren Strukturen und Netzwerke. Wir setzen auf die Konfrontation der rechten MörderInnen und Verantwortlichen in der Politik, Polizei und Justiz.

Die rechten Morde in Leipzig und irgendwo in Deutschland sind keine Einzelfälle, sondern stehen für das gesellschaftliche Klima seit Jahrzehnten in diesem Land. Allein im Jahr 2019 kam es in der Stadt Leipzig zu 62 dokumentierten Angriffen mit 92 Betroffenen durch die Opferberatung, 30 von den Taten waren rassistisch motiviert.

Im Jahr 2018 kam es in Sachsen zu 317 rechtsmotivierten Angriffen mit 481 Betroffenen, ein Mensch wurde aufgrund seiner sexuellen Orientierung ermordet. Seit 2014 werden ca. 2/3 der Angriffe in Sachsen wegen rassistischen Einstellungen der TäterInnen verübt.

„Erinnern heißt Kämpfen!“ ist für uns keine bloße Phrase, sondern Handlungsmaxime. Es geht darum, bestehende antirassistische und antifaschistische Kämpfe zu unterstützen. Unser Widerstand gilt der sozialdarwinistischen, rassistischen, FLINT-feindlichen, antiziganistischen, sexistischen und antisemitischen Ausgrenzung.

Den TäterInnen gilt unser Kampf, den Betroffenen und Opfern der rechten Verhältnisse gilt unsere Solidarität! Je stärker der Rechtsruck, je geringer die Gegenwehr, je weiter sich Sag- und Machbarkeitsfelder verschieben, desto aktiver müssen wir werden.

Zwar hat sich durch den Corona-Virus Vieles verändert, der Umgang mit rechten TäterInnen und ihren Taten jedoch nicht. Während sich Neonazis bewaffnen, baut der Verfassungsschutz weiter am System der V-Personen. Der Quellenschutz steht bei ihm weiterhin an erster Stelle. Wie im NSU-Komplex ist vom Inlandsgeheimdienst vor allem Verschleierung und Strukturaufbau der Neonazi-Szene zu erwarten.

Deswegen bleibt trotz allem unsere Antwort: In einem Land, in dem Menschen in Polizeizellen umkommen, in dem Menschen von Rechten totgeschlagen und deren Angehörige verhöhnt werden, in einem Land, welches Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen sterben lässt und ihnen das Leben hierzulande zur Hölle macht, werden wir keinen Frieden schließen!

Kein Mensch ist illegal!
Gegen den rechten Konsens!
Rechten Terror bekämpfen!

DEMONSTRATION AM 24.10.2020 UM 16.30 Uhr AB SÜDPLATZ IN LEIPZIG

Mehr Infos: „Rassismus tötet!“-Leipzig