Gegen den EU-China-Gipfel in Leipzig

                   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vom 13. bis zum 15. September wollen sich in Leipzig die Regierungschef*innen aller europäischen Länder mit der Staatsführung Chinas treffen. Dabei wird es nicht bloß um die Intensivierung von Handelsbeziehungen gehen. Vielmehr geht es darum, eine neue globale Partnerschaft aufzubauen, damit die EU auch zukünftig nicht vom Tisch der Großmächte verdrängt wird. Durch die Verschlechterung des Verhältnisses der EU mit den USA unter Donald Trump wurde die Suche nach einem anderen Partner notwendig, der die Ausgestaltung der eigenen globalen Interessen mit der EU koordiniert. Themen des Gipfels sind daher neben den Wirtschaftsbeziehungen auch Außen- und Sicherheitspolitik und – wenig überraschend – Digitalisierung und digitale Zusammenarbeit, sowie Klimaschutz und Menschenrechte. Grundlage für den Gipfel bilden strategische Positionspapiere, die bereits in der EU-China 2020 Strategic Agenda for Cooperation aus dem Jahr 2013 ihren Anfang nahmen und seitdem bei den jährlichen Treffen immer konkreter wurden. Dieses Jahr treffen sich dann das erste Mal nicht nur repräsentative Vertreter*innen aus China und der EU, sondern alle Staats- und Regierungschef*innen.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Der Kernpunkt der Agenda bezieht sich auf den zukünftigen Handel zwischen der EU und China. China ist nach den USA der wichtigste Handelspartner für die EU, andersrum ist die EU wichtigster Handelspartner für China. Beide teilen Wirtschaftskonflikte mit den USA, die für China wiederum der zweitwichtigste globale Handelspartner sind. Der Gipfel ist damit auch eine Veranstaltung, um Druck auf die USA auszuüben und die deutlich verschlechterte Position der EU und China gegenüber den USA zu stärken. Die neuen Handelsbeziehungen sollen ihren Ausdruck finden in dem wechselseitigen Öffnen neuer Märkte, wie auch dem Bestreben der EU, die Position Chinas in der WTO zu stärken und voranzubringen. Denn das Verhältnis Chinas zur WTO ist nicht konfliktfrei: Speziell die USA nutzen immer wieder Verweise auf die Menschenrechte, um die chinesische Position in der WTO zu schwächen und Bedingungen aufzustellen, um eine Anpassung Chinas an amerikanische Produktionsbedingungen zu erzwingen; Hintergrund hierfür sind die Wettbewerbsnachteile, die den USA und zum Teil auch der EU durch Gesetze zu Arbeitsschutz und dem Vorhandensein von, wenn auch schwachen, Gewerkschaften entstehen. Um die Position Chinas zu stärken, ohne dass eine tatsächliche Anpassung stattfinden muss, wurde 2018 eine EU-China-Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt WTO eingerichtet. Da auch in Europa der Abbau und die Aufweichung von Arbeitnehmer*innenrechten voranschreitet, lässt sich erahnen, dass durch die Kooperation zwischen der EU und China nicht die Arbeitsbedingungen in China verbessert werden sollen. Die Zusammenarbeit Europas mit China ist damit ein unmittelbarer Angriff auf jede noch so kleine Reformbestrebung in China sowie auf die Arbeitsbedingungen in Europa.

Außen- und Sicherheitspolitik

Ein weiterer zentraler Punkt des Treffens wird die Koordination einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sein. Auch hier hat sich gezeigt, dass die USA als verlässlicher Partner für Europa nicht bedingungslos zur Verfügung steht. Um nicht abhängig zu sein von der militärischen Kooperation mit den USA, sollen europäische Interessen zukünftig in Zusammenarbeit mit China verfolgt werden. Dabei wird unter anderem auch eine Intensivierung militärischer Zusammenarbeit in Afrika angestrebt. Sowohl China als auch die EU sind dabei, den afrikanischen Kontinent weiter zu kolonialisieren; neben der Absicherung seltener Erden als Ressourcen geht es ebenfalls darum, eigene Produktionsstätten in den afrikanischen Ländern zu errichten. Dies dient zum einen der europäischen Kostenminimierung für europäische Großkonzerne, die an den europäischen Bedingungen von Arbeitssicherheit und -rechten vorbeiproduzieren wollen, sowie dem Betrieb notwendiger Infrastruktur in Afrika durch chinesische Konzerne. Der Aufbau von Infrastruktur sowie die Auslagerung der Produktion ergeben ein gemeinsames Interesse, wenn nötig militärisch gegen alle bewaffneten Gruppierungen vorzugehen, die die eigenen Interessen gefährden. Daneben spielen die Absicherung gegen sogenannte „Piraterie“, wie am Horn von Afrika und dem Golf von Aden eine zentrale Rolle bei der Absicherung der eigenen wirtschaftlichen Verkehrswege.
Es geht insgesamt aber noch um mehr. So lobt die EU in der Vorbereitung zum Gipfel ausdrücklich die chinesische Unterstützung im Konflikt mit dem Iran bezüglich der Urananreicherung, während die EU China ihre Unterstützung bei Konflikten und Problemen im asiatischen Raum andeutet, sowie der Absichtserklärung, sich auch allgemein weltweit gemeinsam für Frieden einzusetzen. Was das bedeutet, verdeutlicht ein weiteres in der Vorbereitung erwähntes Beispiel. So wird als erfolgreiches Projekt eines internationalen Engagements für den Frieden Afghanistan genannt; wer sich die Folgen einer solchen Intervention anschauen mag, kann hier sehen, dass dieser Frieden bloße Propaganda gewesen ist. Tatsächlich haben die USA und Europa hier eine zutiefst von Gewalt geprägte Region zurückgelassen, die in weiten Teilen wieder unter der Gewaltherrschaft der Taliban steht.

Digitalisierung und Cybertechnologie

Bereits jetzt arbeiten die EU und China im Bereich Digitalisierung und Cybertechnologie zusammen. Dabei geht es nicht nur um das Engagement chinesischer Firmen auf dem europäischen Markt, wie etwa Huawei bei der Einführung des 5G-Netzes, sondern auch um inhaltlichen Austausch. Hierzu trifft sich jährlich die Cyber-Taskforce EU-China. Was es damit auf sich hat, wird deutlich, wenn man sich das Vorbereitungspapier der EU ansieht. Dort heißt es, die „Cyber-Taskforce EU-China bietet Gelegenheit zum Meinungsaustausch in Bereichen wie Regierungsstruktur und -strategie, Normen für verantwortungsbewusstes staatliches Verhalten im Cyberspace und vertrauensbildende Maßnahmen im Cyberspace“. Was „Meinungsaustausch in Bereichen wie Regierungsstruktur und -strategie“ vermuten lässt, sind Gespräche über die chinesischen Projekte zum SocialCreditSystem, bei welchem die chinesische Regierung nicht nur alle Menschen in China permanent überwacht, sondern auch sozial erwünschtes Verhalten durch allgemeine soziale Kontrolle belohnt und abweichendes Verhalten sanktioniert wird. Ein Austausch, wie er angegeben wird, findet hier ohnehin bloß einseitig statt, insofern, dass sich die EU anschauen und anhören kann, was es in China bereits gibt; was Digitalisierung und Cybertechnik angeht ist die EU weit abgehängt. Nicht zuletzt hieraus begründet sich das Interesse an einer intensiveren Zusammenarbeit mit China, welches gerade im Bereich Technologie – und hier eben expliziter Technologie, um Menschen technisch zu kontrollieren und deren Verhalten zu lenken – eine Vorrangstellung für sich beanspruchen kann.

Klimaschutz und Menschenrechte

Auch Klimaschutz und Menschenrechte stehen mit auf der Agenda des EU-China-Gipfels. Beides ist jedoch nicht mehr als Makulatur; beides dient zur medialen Beschönigung der eigentlichen Absichten. Aus Perspektive der EU ist das Einfordern der Menschenrechte allein schon deshalb lächerlich, weil die EU selbst den Abbau der ohnehin schwachen Menschenrechte derzeit massiv vorantreibt, wie aktuell in aller Deutlichkeit am Umgang mit Flüchtenden an den EU-Außengrenzen oder in Flüchtlingslagern zu sehen ist, um von den vergangenen Unrechten gar nicht zu reden, als auch mit dem autoritären Einschränken von nahezu allen Grund- und Freiheitsrechten im Rahmen der Corona-Pandemie. Für China hingegen gibt es gar keinen Grund sich von der Europäischen Union belehren zu lassen; der Erfolg der chinesischen Wirtschaft ist nahtlos verknüpft mit den ausbeuterischen und lebensfeindlichen Produktionsbedingungen, die es ermöglichen Waren zu konkurrenzlosen Schleuderpreisen in die ganze Welt zu exportieren. Neue Bestimmungen hinsichtlich des Klimaschutzes oder beispielsweise den Zwang für Firmen, auch bei den einzelnen Zulieferern der Waren auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten, wurden bezüglich der Corona-Pandemie auch gleich als erstes wieder zurückgepfiffen.

Der Gipfel in Leipzig

Den Gipfel in Leipzig durchführen zu wollen, kommt einer Dominanzgeste der deutschen Bundesregierung gleich, die nach dem G20-Gipfel in Hamburg zeigen möchte, dass es möglich ist, einen Gipfel durchzuführen, auch wenn er in einer Stadt durchgeführt wird, die einen Ruf als „linke Hochburg“ innehat. Für die sächsische Landesregierung unter Ministerpräsident Kretschmer und den Leipziger Oberbürgermeister Jung geht es schlicht um eine Belebung des Wirtschaftsstandorts Sachsens und Leipzigs, sowie einen durch Bundesressourcen unterstützten Ausbau des polizeilichen Sicherheitsapparates. Der Ausbau des wirtschaftlichen Standorts geht einher mit dem Ausverkauf von Städten, Gemeinden, Freiflächen und Wohnraum, der in den größeren Städten bereits zu anhaltender Verdrängung führt, inklusive der damit zusammenhängenden Zersetzung sozialer Bezüge und Leben einzelner vor allem ärmerer Menschen sowie dem anhaltenden Zuzug wohlhabender Menschen in die größeren Städte. Um diese Entwicklung gegenüber einer weiter verarmenden Unterschicht abzusichern, wird der Sicherheitsapparat zunehmend ausgebaut. Der Gipfel als Veranstaltung steht hierfür symbolisch. Neben den vorher erwähnten Punkten, die einen Angriff auf den Gipfel aus allen Teilen der Welt rechtfertigen, hat dies eine weitere lokale Bedeutung. Begründet wird das Stattfinden des Gipfels vom sächsischen Innenministerium wiefolgt: „Gerade in Zeiten, in denen fast alle Veranstaltungen für die nächsten Wochen und Monate abgesagt bzw. verschoben und Unternehmen aus den Bereichen Tourismus, Gastgewerbe, Messen etc. besonders hart getroffen werden, hält es die Staatsregierung für das richtige Zeichen, an dieser Veranstaltung festzuhalten. Leipzig als Messestadt und Veranstaltungsort ist geübt und erfahren mit der Durchführung von internationalen und hochrangigen Treffen und Veranstaltungen. Insofern hat die Staatsregierung volles Vertrauen gegenüber dem Bund, bei der Auswahl der Veranstaltungsorte auch die Belange der Leipziger Stadtgesellschaft ausreichend zu berücksichtigen.“

Nein zum Gipfel!

Mehr als alles bedeutet der EU-China-Gipfel die weitere Zuspitzung des Kampfes von oben nach unten. Armut und Wohlstand sollen zugunsten von Wirtschaft und herrschenden Eliten weiter umverteilt werden. Dem wollen wir nicht tatenlos zusehen und den Gipfel nach unseren Möglichkeiten angreifen und bekämpfen. Trotz kurzer Vorbereitungszeit, trotz Corona-Pandemie und all der Enge, die sie mit sich bringt:

Wir rufen euch alle dazu auf, vom 13. bis zum 15. September nach Leipzig zu kommen und mit uns zusammen den Gipfel anzugreifen! Den Herrschenden keine Ruhe – nicht hier in Leipzig und nicht anderswo! Nein zum EU-China-Gipfel!

Quelle:keingipfel.noblogs.org

Lieber Teilbar als Unsolidarisch

Für den 15. Februar 2020 war schon lange antifaschistischer Protest gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden, der leider schon zur ekligen Tradition geworden ist, geplant. Das Bündnis Unteilbar kündigte dann kurzfristig (am 07. Februar) eine weitere Veranstaltung für denselben Tag in Erfurt an. Anlass der Unteilbar-Demo ist die AfD-gestützte Ministerpräsidentenwahl in Thüringen. Dabei sind der Rechtsruck und die Bedrohung von Rechts kein neues Phänomen, sondern waren schon lange vorher präsent, wie man in allen öffentlichen Kanälen nachvollziehen kann.
In Dresden werden Nazis im vierstelligen Bereich erwartet, die Besonderheit dieses Jahr ist der 75. Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten. Unsere Aufgabe als linksradikale Akteur*Innen ist es dabei, nicht nur den Nazi-Aufmarsch zu verhindern, sondern auch zu zeigen wie haltlos und verlogen der deutsche Opfermythos ist, der hier am Beispiel Dresdens aufgezogen wird.
Die Organisation und Bewerbung einer Konkurrenzveranstaltung fällt all den Menschen in den Rücken, die schon Wochen und Monate vorher den Gegenprotest in Dresden geplant, organisiert und dafür mobilisiert haben. Im schlimmsten Fall werden die Nazis in Dresden in der Überzahl sein, weil die linken Kräfte alle in Erfurt gebunden sind. Es ist keine tragbare Lösung, Nazis ungehindert durch die Städte marschieren zu lassen, denn das Fehlen von Gegenprotest würde die Rechten noch weiter beflügeln und ein gefährliches Signal an die Mehrheitsgesellschaft schicken, wie es ohnehin zu oft passiert. Gerade in Dresden, der PEGIDA-Hauptstadt, ist ein deutliches antifaschistisches Signal bitter vonnöten.
Das Bündnis Unteilbar ist ein gemäßigtes, bürgerliches Bündnis, was auch sein Gutes hat, um Menschen, die bisher keine Berührungspunkte zu linksradikaler Politik hatten, abzuholen und für Themen wie Antifaschismus und Antirassismus zu engagieren. Aber bürgerlicher Protest sollte nicht radikalen Antifaschismus sabotiern.
Wir rufen deshalb alle dazu auf, am 15. Februar 2020 nach Dresden zu fahren und sich dort entschlossen den Nazis in den Weg zu stellen, und begrüßen es, dass auch andere Akteur*Innen weiterhin aktiv nach Dresden mobilisieren.
Dieser Text ist an alle Antifaschist*Innen gerichtet die noch unentschlossen sind ob sie nach Dresden oder Erfurt fahren sollen!

Den deutschen Opfermythos brechen!

Für einen gemeinsamen und entschlossenen
Kampf gegen Nazis und Rechtsruck!

Diskussionsrunde beim Offenem Plenum am 31 Jan.

Am 31 Januar findet unser nächstes offenes Plenum statt, bei diesem Plenum wird es um die Frage der Militanz gehen. Grundlage wird dieser Text , der zuerst auf Indymedia erschien. 

                  

Vive la militance!

Warum schweigt die viel beschworene linke Szene Leipzigs und lässt es zu, dass die politische Wahrnehmung und Debatte von Gruppen bestimmt wird, denen außer zwischen brachial-schwülstiger und zutiefst menschenverachtender Rhetorik changierender Pamphlete und Praxis nichts einfällt. Ein Aufschlag zur Debatte.

Am 6. November 2019 wurde vom Sächsischen Innen-und Justizministerium die Einrichtung einer Soko LinX verkündet., die sich dezidiert den Kampf gegen „linksextreme Strukturen“ auf die Fahne geschrieben hat.

Was erst mal nicht mehr als ein säbelrasselndes Wahlkampfmanöver war, wurde flankiert durch eine sich massiv verstärkende politische Einmischung der Polizei in Form von öffentlichen Statements der Polizeidirektion Leipzig und ihres Präsidenten Torsten Schultze. Moniert wurden von ihnen unter anderem ACAB-Rufe auf Demonstrationen, ein Schlachtruf, der seit den 1970er zu diversen Jugendkulturen gehört und laut Bundesverfassungsgerichtsurteil von der Meinungsfreiheit geschützt sein kann.
Als Feinde wurden von der Polizei immer wieder auch öffentliche und private Personen und politische Projekte markiert. Aber auch von rabiaten Polizeieinsätzen gegen Demonstrierende ist zu berichten.
Zum Jahreswechsel 2019/20 eskalierte die Polizei dann vollends.
Über den Hergang dieser Nacht und die darauf folgende Diskussion ist an vielen Stellen bereits geschrieben worden.

Es stellt sich eine ganz andere Frage: Nämlich warum die viel beschworene linke Szene dieser Stadt zu all diesen Vorgängen weitestgehend schweigt und es zulässt, dass die politische Wahrnehmung und Debatte von Gruppen bestimmt wird, denen außer zwischen brachial-schwülstiger und zutiefst menschenverachtender Rhetorik changierender Pamphlete nichts einfällt.

Das will dieser Text ändern. Er versteht sich explizit als Aufruf zur Debatte.

Die Stadt Leipzig gilt als Insel im Freistaat Sachsen. Dass sie das nicht ist und kapitalistische Vergesellschaftung mit Niedriglöhnen, Armut, einem boomenden profitorientierten Immobilienmarkt, mit Abwertung und Kriminalisierung von Menschengruppen und einer außer Rand und Band geratenen Polizei hier Alltag sind, muss nicht ausgeführt werden. Doch die linke Szene in dieser Stadt hat sich weitestgehend in die Versenkung verabschiedet.

Die Verhinderung von Neonazi-Aufmärschen wird einem Partei-dominierten Aktionsnetzwerk überlassen, der Kampf gegen das Zentrum rechter Netzwerke in der Kamenzer Straße findet kaum Anklang, Initiativen gegen Entmietung, Arbeitskämpfe oder polizeiliche Repression werden von einigen wenigen betrieben. Wohnungslosigkeit um den Hauptbahnhof und permanentes racial profiling durch die Cops in der Innenstadt und im Osten der Stadt fallen weitestgehend aus dem Fokus. Und sogar die permanente polizeiliche Videoüberwachung im Herz des „widerständigen“ Viertels Connewitz ist jetzt Angelegenheit von Gerichten, aber längst nicht mehr von politischen Debatten oder gar Widerstand.

Das was aus Leipzig auffällt sind nicht erfolgreiche Gegenschläge gegen die faschistische AfD. Die kann in bestimmten Stadtteilen auf beträchtliche Erfolge verweisen. Strategiedebatten wie mensch ihnen den Raum nimmt, bevor sie wie im ländlicheren Raum Dominanz erringen und emanzipatorischen Projekten den Garaus machen, fehlen. Mensch fühlt sich eben sicher in seinen Kiezen und der komfortablen Mehrheit im Stadtrat. Trotz der Pflänzchen Unermütlicher fehlt es auch an kontinuierlichen sozialen Kämpfen, gegen die Entrechtung und Ausbeutung von Lohnabhängigen oder eben Mieter*innen. Kein breites Thema für die radikale Linke, die scheinbar auch hier auf die Parteipolitik und auf kooperatistische Gewerkschaften und Mieterverein schielt. Ganz zu schweigen von praktischer und ideeller Solidarität mit Geflüchteten, die in den letzten Jahren zu den am meisten deklassierten und wortwörtlich gejagten Menschengruppen zählen, auch auf der vermeintlichen Insel Leipzig.

Stattdessen reiben sich so manche Szenegänger*innen die Hände, wenn in der Stadt ein Bagger brennt, wenn Faschos die Bude verwüstet oder dem AfD-Treffort die Räume angezündet werden. Während hier einige die Dreckstarbeit machen und einige wenige diese politisch verteidigen müssen, liegt der Rest der Szene in Lethargie. Und er liegt es immer noch, wenn Grenzüberschreitungen stattfinden, die aus einer emanzipatorischen Perspektive nicht mehr vertreten werden können. So beispielsweise der „Hausbesuch“ bei einer Mitarbeiterin eines Immobilienunternehmens, das in Connewitz derzeit teure Eigentumswohnungen errichtet.

Früher ging es einer autonomen Linken darum Aktionen zu machen, mit denen Menschen, die nicht in der eigenen Blase schwimmen, erreicht werden können. Wenn eine Mitarbeiterin eines relativ kleinen Immobilienunternehmens in ihrem privaten Rückzugsraum aufgesucht und geschlagen wird, ist das nicht nur blöd, sondern auch feige. Und es ist nicht vermittelbar. An eine prononcierte Aktion vor dem Wohnhaus von Christoph Groener (CG), der mit seinen Millionen- oder Milliardengeschäften Menschen und Projekten die Existenz raubt, wäre um vieles effektvoller. Und vermittelbarer.
Kleiner Wehrmutstropfen für die, die denken, Kritik an hohen Mieten durch Baggerbrände und Hausbesuche vorangebracht zu haben: Der vom Oberbürgermeister einberufene Runde Tisch umfasst vor allem Privatinvestoren, Stadt und sehr sehr wenige Feigenblätter auf der Seite der vermeintlichen Kritiker*innen. An der Rendite-Spirale von kapitalistischen Immobilienunternehmen, die auch die Stadtverwaltung mit befördert, ändert das gar nichts. Chapeau für diesen Erfolg.

Wer Cops zu Silvester so heftig angreift und Menschen, die scheinbar nichts anderes wert sind als „Artillerie“ zu sein, verheizt, der hat das Maß verloren. Jedes Wort von „Solidarität“, das diese Akteure aufschreiben, ist nichts anderes als pupertäres Gewichse. Die Dresche, Schnellverfahren und Inhaftierungen mussten andere einstecken, die gesellschaftliche Vermittlung dieses von den Cops willentlich herbeigeführten Gewaltaktes andere übernehmen.

An dieser Stelle sei die Eskalationsspirale, die die von einem CDU-geführten Innenministerium gelenkt und von einem Ordnungsfanaktiker, der seine Affekte nicht im Griff hat, geführte Polizei Leipzig, losgetreten wurde ausgeblendet. Dies skizziert folgender Text: https://de.indymedia.org/node/57711

Nebenbei bringen diese Akte Menschen in Gefahr. Nicht Immobilienhaie, nicht Cops, sondern die eigenen Genoss*innen.
Die beiden Ermittlungsverfahren gegen antirassistische Fußballfans in den Jahren 2013 bis 2018 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung haben gezeigt, wie weiter Kreise Telekommunikationsüberwachung, Ortung von Anschlüssen und Observation wegen Nichts ziehen können. Bei dem aktuell mutmaßlich geprüften Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung dürften die Maßnahmen um einiges härter ausfallen. Hierbei geht es nicht um den Papiertiger Soko LinX. Wer soll dann noch in seinen Zusammenhängen offen über linke Strategien sprechen können, und sei es nur die Blockade der nächsten Faschodemo?
In klandestinen Zirkeln hängen und jede*n der*die mit tun will, einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung unterziehen? Eine geschlossene Parallelwelt aufbauen? Ist das eine Strategie, die zur gesellschaftlichen Umwälzung führt? Die Autor*innen dieses Textes sagen: Nein. Und wünschen sich, dass eine breite Diskussion in der linksradikalen Szene begonnen wird, die Solidarität nicht mit Füßen tritt, wie es kleine Gruppen von hasserfüllten Indymedia-Schreiber*innen gerade tun.

Was will linksradikale Kritik und Politik? Die Herrschenden in Wirtschaft und Staat einschüchtern, die Welt verändern ohne Macht zu übernehmen. So weit, so d‘accord. Die Geschichte der RAF hat zu gut gezeigt, dass die Perspektive, dass „eine bewaffnete Gruppe, so klein sie auch sein mag, bessere Aussichten hat, sich in eine große Volksarmee zu verwandeln“ (Ulrike Meinhof 1972) nicht aufgegangen ist. Das schreiben wir nicht, weil wir uns an den schamlosen Gleichsetzungen von RAF und SA oder Antifa und NSU (CDU-Stadtrat Michael Weickert in der Sitzung des Leipziger Stadtrats am 07. November 2019) bedienen wollen. Sondern um aufzuzeigen, dass maßlose Militanz das Gegenteil erreichen kann und der Staat nicht vor allem vorgeführt werden, sondern alles dem Boden gleichmachen kann, was ihm nicht in den Kram passt, während weite Teile der Gesellschaft dazu klatschen und johlen. Ansätze dieses Agierens sind bereits im ländlichen Raum in Sachsen zu besichtigen, wo den letzten Freiräumen von einem Bündnis aus AfD und CDU vielerorts eine Ende droht, unter straightem Verweis auf antifaschistische oder widerständige Inhalte.

Kuschen oder Defensive sind keine Alternative. Das ist klar. Die Frage ist wie wir Gesellschaft verändern wollen. Die linke Geschichte lehrt uns, dass Umbrüche gegen eine Mehrheit der Bevölkerung schnell in Unterdrückung und Unterwerfung enden. Dies kann nicht erneut eine Option sein. So unwahrscheinlich ein breiter gesellschaftlicher Umbruch gerade im Osten derzeit scheint, so sehr kann die Devise jetzt nicht auf reine Selbstverteidigung setzen. Für eine radikale Linke ist es essentiell Bruchstellen zu finden und Menschen von einer solidarischen Alternative zu überzeugen oder sie zumindest auf diese Seite zu ziehen. Gelegenheiten dazu gibt es derzeit viele, siehe Arbeits-, Mieten-, Öko- oder klassische antirassistische und antifaschistische Kämpfe. Und all das ist harte Arbeit.

So wichtig die Pflege und Verteidigung von solidarischen Kiezen ist, so trübe ist es seine Politik darauf und in diese zu verlegen, sich dabei gleichzeitig als Legislative, Judikative und Exekutive zu gebärden („Kiezmiliz“: „Unser Kiez, unsere Regeln“) und all die anonym mit Steinen o.a. heimzusuchen, die habituell oder in ihrem Tun nicht diesen geheimen Regelkatalog entsprechen.

Dieser Text will kein Plädoyer für oder gegen bestimmte Strategien hinlegen, will auch keine Spaltung zwischen guten und schlechten Aktionsformen aufmachen. Aber er will gegen das große Schweigen und Erdulden von Plumpheit und im als anarchistisch bemäntelten Dogmatismus angehen.

Linksradikale Kämpfe sollten klug, einbindend und Militanz in ihnen ein Mittel zu Durchsetzung von Zielen und kein Selbstzweck sein. Die Polizei wegzuhauen macht längst keine emanzipatorische Gesellschaft, wenn es keine Strukturen gibt, die eine freie Gesellschaft basisdemokratisch gestalten und verwalten. Immobilienfirmen zu enteignen, in gemeinwohlorientierte kollektive Strukturen zu überführen, Häuser zu besetzen und parallel Nachbarschaften zu organisieren sind dagegen bereits ein kleiner Schritt ins Andere, der bei weitem nicht gewaltlos vonstatten gehen wird.

Oder um mit Johannes Agnoli zu sprechen: In einem kritischen Handeln muß man immer die Bruchsituation erkennen, in die man sich hineinbegeben kann[…] Es geht darum, daß man sieht, jetzt entsteht eine Bruchsituation, die nicht nur Ideen und Prinzipien betrifft, sondern die Lebensbedingungen von Millionen Menschen. Also muß man sich überlegen, was in einer solchen Bruchsituation zu tun ist.“

Anders gesprochen: Gewinnen wir Herzen, gewinnen wir Köpfe, damit wir in einer Umbruchssituation nicht alleine hinter der Barrikade stehen.